Lichtgestalten der Bonner Universitätsgeschichte
Ein berühmter Bonner Alumnus und zwei renommierte Bonner Professoren standen im Zentrum der Vortrags- und Podiumsveranstaltung „Recht im Globalisierungsprozess“ am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ der Universität Bonn. Im Rahmen der 200-Jahr-Feier der Universität Bonn beleuchtete das Direktorium des Kollegs, Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Gephart, Prof. Dr. Nina Dethloff und Prof. Dr. Clemens Albrecht, Karl Marx, Ernst Zitelmann und Joseph Schumpeter in ihrer wissenschaftlichen Bedeutung und Wirkmächtigkeit für das Verhältnis von Globalisierung und Recht.
Womöglich hätte sich der ein oder andere der rund 30 Zuhörer mehr aktuelle Bezüge von der Veranstaltung „Recht im Globalisierungsprozess“ erhofft, aber die Vorträge über Marx, Zitelmann und Schumpeter verdeutlichten letztlich überzeugend und teilweise auf sehr hohem Abstraktionsniveau, welche Impulse von den Bonner Rechtswissenschaften und den Bonner Wirtschaftswissenschaften im 19. und 20. Jahrhundert ausgegangen sind. Oder wie es Gephart, Gründungsdirektor des Kollegs, abschließend formulierte: „Es sind Lichtgestalten der Bonner Universitätsgeschichte, die uns tatsächlich noch etwas zu sagen haben.“
Dem Anspruch des Käte Hamburger Kollegs, „Recht als eine wichtige Dimension einer sich globalisierenden Welt mit den kategorialen und methodischen Mitteln der Geisteswissenschaften begreiflich zu machen“ wurden jedenfalls sowohl die Vorträge als auch die anschließende Podiumsdiskussion gerecht.
Karl Marx etwa, der sein erstes und zweites Studiensemester in Bonn verbrachte, hat die globale Dimension des Kapitalismus frühzeitig erkannt, wie Gephart unter Verweis auf das „Kommunistische Manifest“ darlegte. Dessen Formulierungen lassen sich geradezu als erste Vorläufer einer allgemeinen Globalisierungskritik auffassen, so zum Beispiel wenn Gephart Marx zitierte, der von einer „Verschlingung aller Völker in das Netz des Weltmarktes“ spricht.
Spannend ist die Gedankenwelt von Marx aus Sicht des Rechtswissenschaftlers Gephart jedoch auch, weil sich an vielen Stellen nachweisen lässt, dass Marx einem seinerzeit herrschenden bzw. vorherrschenden Rechtsverständnis kritisch gegenüberstand, dass er die Dominanz der Rechtsfragestellungen im Hinblick etwa auf wirtschaftliches Handeln oder Organisation der Gesellschaft mehrfach hinterfragte.
Weltrecht und seine Grenzen
Die ersten Bestrebungen zur einer Vereinheitlichung des Rechts bzw. zur „Gleichheit des juristischen Denkens“ standen im Zentrum des Vortags „Vom Weltrecht und seinen Grenzen“ von Prof. Dethloff, Co-Direktorin des Kollegs. Dethloff referierte über Ernst Zitelmann, Professor für Römisches Recht und Bürgerliches Recht an der Universität Bonn und Rektor zur Zeit ihres 100. Geburtstages. Zitelmanns „Vision eines Weltrechts“ hat zwar auch mehr als 100 Jahre nach ihrem Entwurf etwas Faszinierendes, aber die Grenzen dieser Entwicklung machte Dethloff an der Forschung des ein Jahrhundert später wirkenden Bonner Rechtswissenschaftlers Professor Günther Beitzke deutlich, Stichwort Familienrecht: Durch die zunehmende Mobilität in der Welt habe man es immer häufiger mit Ehepartnern aus verschiedenen Ländern zu tun. Aufgrund seiner starken rechtskulturellen Prägung neige man im Bereich des Familienrechts durchaus dazu, das Recht des Anderen zu akzeptieren und ein Recht anzuwenden, das möglicherweise von eigenen, inländischen Rechtsvorstellungen abweicht.
Am Beispiel der Weltmacht China, das im 19. Jahrhundert noch als „der schlafende Riese“ galt, illustrierte Albrecht, ebenfalls Co-Direktor des Kollegs, zum einen die Bedeutung der Schrift „Soziologie der Imperialismen“ des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlers Joseph Schumpeter. Zum anderen schlug er damit aber auch den Bogen zu aktuellen Fragen der Globalisierung, Stichworte Umweltschutz und Handelskrieg zwischen den USA und China, wie sie in der anschließenden Diskussion aufkamen. Schumpeter hat „Soziologie der Imperialismen“ kurz nach dem Ersten Weltkrieg vorgelegt. Wenige Jahre später wurde er nach Bonn berufen. Seine „Analyse des Wechselverhältnisses zwischen ökonomischen Entwicklungen, sozialen Grundlagen und raumgreifenden politischen Entscheidungen“ ist für den Kultursoziologen Albrecht interessant, weil sie die Probleme und Widersprüche der Globalisierung begreifbar macht. Besonders deutlich werde dass im Bereich des Rechts und der zunehmenden Internationalisierung des Rechts. „Recht muss als Kultur politisch gewollt sein“, zitierte Albrecht Schumpeter. Auch wenn das möglicherweise mit nationalen Interessen kollidiere, treibe es insgesamt die Entwicklung voran, sei also notwendig.