Wolfgang Paul, Physiker
Der Vater der Teilchenbeschleuniger
„Seid nicht Hörer allein, seid auch Täter des Worts.“ Jeder, der heute den großen Bonner Physik-Hörsaal im Stadtteil Poppelsdorf betritt, liest diesen Satz an den schweren Türgriffen. Formuliert hat ihn der Bonner Physiker Wolfgang Paul, nach dem der Hörsaal benannt ist – und er könnte als Motto und Bilanz über dem ganzen Leben dieses großen Forschers stehen.
Wolfgang Paul wurde 1913 in Lorenzkirch (Sachsen) geboren. Er studierte in München und Berlin, promovierte dort 1939 in Berlin und habilitierte sich 1944 in Göttingen, wo er zunächst auch Professor war. 1952 berief ihn die Universität Bonn zum Ordinarius für Experimentalphysik. Doch als fest zugesagte Gelder zur Renovierung des Instituts sich verzögerten, schickte er kurzerhand das Professorengehalt zurück und machte sich auf den Heimweg nach Göttingen. Gottlob, so könnte man sagen – denn kein Geringerer als der legendäre Physiker Werner Heisenberg hielt dort gerade ein Kolloquium über den Bau von Teilchenbeschleunigern. Paul ließ sich von Heisenbergs Ausführungen inspirieren – und als der Streit mit Bonn bereinigt war, griff er das Thema auf und machte sich am Rhein an die Entwicklung eines eigenen Beschleunigers, des ersten hochfokussierten Elektronensynchrotrons Europas. Es sollte nicht der einzige Bonner Beschleuniger bleiben: Heute arbeiten unter dem Institut im Bonner Stadtteil Poppelsdorf gleich drei Anlagen.
Seine zahlreichen Erkenntnisse auf den Gebieten der Atom- und Molekülstrahlen, der Massenspektrometrie, Isotopentrennung und Elektronenstreuung, der Strahlenbiologie, Dosimetrie und Elektronenstrahltherapie machten Wolfgang Paul zu einem der herausragenden Pioniere der Teilchenphysik. Seine Mitarbeiter erinnern sich an ihn als einen großen Motivator und klugen Chef, der viele Freiheiten ließ und „durch Fordern förderte“. Er legte die Grundsteine für die bis heute erfolgreiche Forschung der Bonner Teilchenphysik, Beschleunigerphysik und Atomphysik. Als Rufe an andere Hochschulen kamen, blieb er Bonn treu und verstand es geschickt, im Gegenzug attraktive Arbeitsbedingungen für seine Mitarbeiter festzuklopfen (er soll gesagt haben: „Einen Teilchenbeschleuniger zu bauen, ist kein Problem – das Problem ist, die Leute bei Laune zu halten.“). Seine „Institutsfamilie“ rief er zweimal pro Woche vollzählig zum Gespräch zusammen – und organisierte für sie Jahr für Jahr auch eine eigene Karnevalsfete.
Die Universität Bonn verdankt dem Physiker einen ihrer größten Erfolge: Im Jahre 1989 erhielt er für seine „Ionenfalle“ den Nobelpreis für Physik. Die Konstruktion ermöglicht es, elektrisch geladene Atome (Ionen) festzuhalten und beobachtbar zu machen. Weil sie sich als äußerst feines Analysegerät nutzen lässt, soll Paul gewitzelt haben: „Ich bin schuld daran, dass sich heute jeder Dreck in der Luft messen lässt und die Leute sich darüber aufregen.“
Wolfgang Paul war Direktor am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf und am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg, von 1979 bis 1989 zudem Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Die Uni verlieh ihm den Titel eines Ehrensenators. Wolfgang Paul starb am 7. Dezember 1993. Auch nach seinem Tod ist die Reihe der Ehrungen nicht abgerissen: Die Deutsche Gesellschaft für Massenspektroskopie vergibt seit 1997 den „Wolfgang-Paul-Studienpreis“ für Master- und Doktorarbeiten. Einmalig vergab die Alexander-von-Humboldt-Stiftung im Jahre 2001 einen „Wolfgang-Paul-Preis“ an 14 ausländische Wissenschaftler, mit jeweils bis zu (umgerechnet) 2,3 Millionen Euro war er damals der höchstdotierte Forschungspreis weltweit. Vom „Wolfgang-Paul-Hörsaal“, eingeweiht 1962 und nach Pauls Entwürfen errichtet, war schon die Rede. Alle zwei bis drei Jahre werden Physiker von Weltrang dorthin eingeladen, um bei der „Wolfgang-Paul-Vorlesung“ aus ihren Forschungen zu berichten – finanziert durch die „Wolfgang-Paul-Stiftung“, die der Forscher mit der Hälfte seines Nobelpreisgeldes 1991 selbst einrichtete, ausdrücklich als Dank für die „Unabhängigkeit und materielle Hilfe, die ich an der Universität Bonn gefunden habe“. Die Hochschule vergibt zudem die „Wolfgang-Paul-Medaille“ an „Persönlichkeiten, die sich in ideeller oder materieller Weise um diese Universität besonders verdient gemacht haben“.
(c) Wolfgang Paul, Foto: Archiv/Universität Bonn