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Weimarer Republik und NS-Zeit

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 „Der Krieg hat unser Volk vor gewaltige, nie geahnte Aufgaben gestellt – der Friede wird uns wohl noch schwierigere stellen.“ So erklärte Uni-Rektor Ernst Zitelmann im Oktober 1919 zur 100-Jahr-Feier der Universitätsgründung (sie hatte wegen des Krieges um ein Jahr verschoben werden müssen). Dies galt nicht nur wegen der großen gesellschaftlichen Verwerfungen und sozialen Nöte, die dem Krieg folgten. Auch die Naturwissenschaften entwickelten sich in schnellem Tempo weiter; für viele Experimente waren nunmehr teure Gerätschaften nötig. Nur mit viel Mühe konnte der Staat die steigenden Kosten bewältigen. Hilfe war schon vor Kriegsende von dem Großindustriellen Carl Duisberg (1861-1935) gekommen, dem Generaldirektor der Bayer AG in Leverkusen: Er fasste den Plan, einen stabilen Fonds aus Geldmitteln der deutschen Wirtschaft einzurichten, dessen Erträge der Hochschule zugutekommen sollten. Im Juli 1917 wurde diese „Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Bonn“ (GeFFrUB) aus der Taufe gehoben: 2007 mit dem 2001 entstandenen „Alumni-Club“ fusioniert, besteht sie als „Bonner Universitätsgesellschaft“ noch heute. Schon 1918 verfügte sie bereits über mehr als zwei Millionen Mark: Erster Hilfsakt war 1917 und 18 die Einrichtung einer neuen Stiftungsprofessur für Handels- und Industrierecht sowie einer für Angewandte Geologie; nach Kriegsende folgte aus GeFFrUB-Mitteln die Gründung des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande und des „Röntgen-Forschungs- und Unterrichtsinstituts“.

 

In den Jahren der Weimarer Republik sollte die GeFFrUB sich als eine stabile Stütze der Universität erweisen. Obwohl die Hyperinflation von 1923 auch das Vermögen der Fördergesellschaft aufzehrte (die 5,33 Millionen Mark vom Juli 1922 verschwanden quasi im Nichts) ließ Carl Duisberg sich nicht beirren und ging erneut auf Fundraising-Tour: Aus den neu erworbenen Spenden entstanden unter anderem eine studentische Darlehenskasse. Schon 1920 war für notleidende Studenten der „Verein Studentenwohl“ gegründet worden, die Keimzelle des heutigen Studentenwerks. Zudem gelang es, das Orientalische Seminar um ein japanisches und ein chinesisches Lektorat zu erweitern.

Als 1933 die Nazis die Macht ergriffen, kam es auch in Bonn zur ,,Gleichschaltung" – „ohne nennenswerten Widerstand“, wie der Bonner Historiker Klaus Hildebrand feststellt: „Die überwiegende Mehrzahl der Professoren war [...] nicht selten auch nationalistisch, aber kaum nationalsozialistisch eingestellt. Allein, das eine genügte, um sich mit dem anderen zu arrangieren.“ An der Hochschule galt fortan das nationalsozialistische ,,Führerprinzip“: Der Rektor wurde vom Minister eingesetzt, die Dekane durch den Rektor. Ihre Entscheidungen waren nicht mehr an Beratung oder Abstimmung in Gremien gebunden. Zahlreiche Dozenten wurden entlassen, zum Beispiel nach den Bestimmungen des Nazi-Gesetzes „zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, weil sie entweder Juden waren oder den neuen Machthabern aus sonstigen Gründen missfielen. Alle Dozenten mussten einen Treueeid auf den „Führer“ leisten; der Schweizer Theologe Karl Barth (1886-1968), einer der Väter der „Barmer Theologischen Erklärung“ der „Bekennenden Kirche“, weigerte sich und musste in die Schweiz zurückkehren. Ein unrühmliches Kapitel der Universitätsgeschichte ist leider auch, dass die Philosophische Fakultät dem Literaturnobelpreisträger Thomas Mann 1936 seinen Bonner Ehrendoktortitel von 1919 aberkannte – der Dekan der Philosophischen Fakultät tat dies, ohne weder vorher noch nachher auch nur die Mitglieder der Fakultät zu unterrichten.

Viele verfolgte Dozenten emigrierten, andere, wie die Philosophen Paul Ludwig Landsberg (1901-1944) und Johannes Maria Verweyen (1883-1945), starben in Gefängnissen oder Konzentrationslagern. Das Verdikt traf auch jeden, der den Verfolgten irgendwie zu helfen versuchte: Die Frau des Orientalisten Paul Kahle und sein Sohn standen in der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 einer jüdischen Geschäftsfrau bei, deren Laden von SA-Männern verwüstet worden war. Sie wurden angezeigt, der junge Mann von der Universität verwiesen, Kahle und seine ganze Familie schikaniert, bevor ihnen 1939 die Flucht nach England gelang. Auch der jüdische Historiker Wilhelm Levison schaffte es noch rechtzeitig über den Ärmelkanal; der jüdische Mathematiker Felix Hausdorff hingegen fand sich nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Nazireich gefangen und nahm sich, als ihm und seiner Frau im Jahre 1942 die Deportation in die Vernichtungslager drohte, gemeinsam mit ihr und seiner Schwägerin das Leben. Opfer des Holocaust wurde auch der Geograf Alfred Philippson: Die Nazis verschleppten ihn 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt, das er glücklicherweise überlebte.

In den Jahren zwischen den Weltkriegen erfuhr die Universität zudem die größte Strukturreform seit ihrer Gründung. 1928 wurden die Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften aus der Philosophischen Fakultät in die Juristische ausgegliedert, die seitdem „Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät“ heißt. 1934 verfügten die Nationalsozialisten die Eingliederung der Bonner „Landwirtschaftlichen Hochschule“ in die Uni; an die frühere Unabhängigkeit der so entstandenen Landwirtschaftlichen Fakultät erinnert bis heute die eigene Amtskette ihres Dekans. Zwei Jahre später verließen auch die Naturwissenschaften die Philosophische Fakultät und formten sich zur eigenen, siebten. 1926 bis 1930 veränderte sich auch das äußere Erscheinungsbild der Hochschule: Das kurfürstliche Schloss erhielt seinen stadtseitigen Gebäudeflügel zurück – nach dem schweren Brand des Schlosses im Jahre 1777 war er nur notdürftig wiedererrichtet worden und hatte seitdem nur mehr ein einziges Stockwerk gehabt. Seither beeindruckte das Hauptgebäude auch wieder mit vier statt nur zwei Türmen. Es sollte nicht lange währen. Ausgerechnet am 18. Oktober, ihrem Gründungstag, legte der schwere alliierte Bombenangriff auf Bonn im Jahre 1944 auch weite Teile der Universität in Trümmer. Zum Glücksfall geriet dabei, dass es kriegsbedingt schon seit langem keinen ordentlichen Lehrbetrieb mehr gab und daher auch nicht wie sonst zu diesem Zeitpunkt eine große Feier in der Aula stattfand – sonst hätte es möglicherweise hunderte Todesopfer gegeben. Weitere Luftangriffe im Januar 1945 zerstörten auch das „Klinikviertel“ nördlich der Innenstadt; die Universitätsbibliothek und zahlreiche Institute erlitten das gleiche Schicksal.

(c) Zerstörtes Hauptgebäude (1944), Foto: Archiv/Universität Bonn

 

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