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Vor dem Kaiserreich: 1848 - 1869

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Zur Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Universität Bonn einen nicht unspektakulären Auftritt auf der Bühne der deutschen Geschichte – fast wie um die Vorbehalte des königlichen Gründers nachträglich zu bestätigen, Universitäten seien gefährliche Zentren demokratischer Umtriebe. Der Bonner Geschichtsprofessor Gottfried Kinkel tritt mit seinem „Demokratischen Verein“ hervor; auf der Gegenseite steht unter anderem der Historiker Johann Wilhelm Loebell mit seinem „Konstitutionellen Bürgerverein“. Sieben Bonner Professoren sind seit Mai 1848 Abgeordnete des Paulskirchenparlaments in Frankfurt (Main). Der Bonner Student und Kinkel-Schüler Carl Schurz unternimmt sogar den Versuch, das Siegburger Zeughaus zu stürmen und sich der dort lagernden Waffen für die demokratische Revolution zu bemächtigen. Der Versuch scheitert; Kinkel wird verhaftet und zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt – doch Schurz kann ihn, bevor er später nach England, dann nach Amerika emigriert, 1850 noch im Handstreich aus der Festung Spandau befreien.

 

Auch außerhalb der Politik geht es nicht immer ganz harmonisch zu. Im Sommersemester 1850 sind 908 Studenten immatrikuliert, fünf Jahre später sind es 800. Seit 1848 das studentische Farbentragen wieder erlaubt ist, prägen die Studenten auch wieder deutlich sichtbar das städtische Leben – doch noch immer hadert ein Teil der Bevölkerung mit den neuen Zeiten: Als 1865 das 50-jährige Jubiläum der Zugehörigkeit des Rheinlands zu Preußen gefeiert wird, boykottiert ein nicht unwesentlicher Teil der Bonner Bürger die Feiern. Außerdem kommt es zum „Bonner Philologenkrieg“: Der Altphilologieprofessor Otto Jahn und sein Fachkollege Friedrich Ritschl zerstreiten sich im gleichen Jahr 1865 derartig, dass sich sogar das Preußische Abgeordnetenhaus mit der Causa befassen muss. Schließlich wechselt Ritschl nach Leipzig, zahlreiche Schüler folgen ihm, unter anderem Friedrich Nietzsche.

Der fachlich ausgezeichnete Ruf nicht nur der Bonner Altphilologie, sondern der Hochschule insgesamt erlitt dadurch keinen nachhaltigen Schaden. Die Liste der am Rhein wirkenden renommierten Gelehrten wurde länger und länger, verzeichnet etwa zwischen 1855 und 58 den Physiker Hermann von Helmholtz, seit 1850 bis zu seinem Tode 1876 den Germanisten und Mythenforscher Karl Simrock (er begründete unter anderem die jahrzehntelange, deutschlandweite Beliebtheit des Nibelungenliedes) und ab 1844 den Anthropologen Hermann Schaafhausen (er stellte 1857 bei einer Sitzung der „Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde“ der Weltöffentlichkeit erstmals die im Jahr zuvor bei Düsseldorf ausgegrabene Hirnschale des „Neandertalers“ vor). In diesen Jahren erblickte auch die „kleine Schwester“ der Universität das Licht der Welt, die „Höhere Landwirtschaftliche Lehranstalt für Rheinpreußen“: 1846 durch königlichen Erlass gegründet, zog sie 1852 in ihr neues repräsentatives Gebäude in Poppelsdorf ein und wurde 1861 zur „Landwirtschaftlichen Akademie“ erhoben. Ebenfalls in Poppelsdorf entstand von 1864 bis 67 gegenüber des Schlosses das neue chemische Institut, damals das weltgrößte seiner Art.

Einen besonders illustren Ruf hatte sich die Hochschule inzwischen als Studienort diverser Hochadliger erwirkt. Seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts war sie zur bevorzugten Ausbildungsstätte von Fürstensöhnen geworden – vielleicht, weil ihnen in der kleinen Stadt kein allzu intensives Nachtleben drohte. Die Prinzen Ernst und Albert von Sachsen-Coburg-Gotha hatten 1837 und 38 den Anfang gemacht: Albert wurde später berühmt als geliebter Ehemann der britischen Königin Victoria. 1845 hatte die Monarchin sogar den einstigen Studienort ihres „Prinzgemahls“ besucht und damit den Bonner Ruf als „Prinzenuniversität“ perfekt gemacht. Auch das preußische Königshaus schickte nun seine Söhne zum Studium an den Rhein: erst Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen (den späteren deutschen Kaiser Friedrich III.), dann dessen Sohn Wilhelm (später Kaiser Wilhelm II.).

Vielleicht ist auch dies ein Grund für besonders illustren Besuch, den die Universität im August 1868 bekommt. König Wilhelm I. und Kronprinz Friedrich, der frühere Bonner Student, sind zu Gast, als die Uni endlich nachholen kann, was ein halbes Jahrhundert zuvor ob der hastigen Umstände zunächst unterbleiben musste (und beim zweiten Versuch, zum „Zehnjährigen“ 1828, an Streitigkeiten zwischen Rektor und Senat gescheitert war): Es gibt eine prunkvolle Gründungsfeier mitsamt Musikzug, Festmahl und Kommers im Hof des Poppelsdorfer Schlosses und ein „Tedeum“ im Bonner Münster, zelebriert vom Kölner Erzbischof. Weltberühmte Gelehrte wie Charles Darwin, John Stuart Mill und Louis Pasteur werden aus diesem Anlass zu Bonner Ehrendoktoren ernannt; der Franzose Pasteur gibt den Titel zweieinhalb Jahre später während des deutsch-französischen Krieges aus Protest zurück.

(c) Jubiläumsfeier 1868: Papier, Lithografie von Gottlob Theuerkauf nach einer Skizze von R. Beissel., Foto: Archiv/Universität Bonn

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