Friedrich Wilhelm August Argelander, Astronom
Dreihunderttausend Sterne anpeilen? Kein Problem!
Weißt du, wieviel Sternlein stehen? Ein paar Dutzend, antwortet der heutige Mensch, der vor lauter Straßenbeleuchtung am Nachthimmel nichts mehr sehen kann. Dabei könnte selbst das untrainierte Auge Tausende sehen. Wie viele Sterne könnte es sehen, hätte es dazu auch noch ein gutes Fernrohr? Genau 324.198. Der Bonner Astronom Friedrich August Argelander hat sie gezählet.
Friedrich Wilhelm August Argelander kam 1799 in der Stadt Memel im damaligen Ostpreußen (heute Klaipeda in Litauen) zur Welt. Er studierte ab 1817 in Königsberg und wurde 1820 Assistent in der dortigen Sternwarte. Schon zwei Jahre später wurde er durch seine Untersuchung zur „Umlaufbahn des Großen Kometen von 1811“ bei Fachkollegen in ganz Europa bekannt. Der Schweifstern mit der offiziellen Nummer C/1811 F1, auch „Flaugergues-Komet“ genannt, war nicht irgendein Komet: Wegen seiner Helligkeit sorgte er weltweit für Aufsehen. Napoleon betrachtete ihn als gutes Omen für seinen geplanten Kriegszug nach Russland (so kann man sich irren), und die exzellenten Tropfen des 1811er-Jahrgangs wurden noch lange als „Kometenwein“ gerühmt.
1823 wechselte Argelander an die Universität von Åbo (Turku) in Finnland. Weil 1827 ein Großbrand die Stadt und die Hochschule zerstörte, war er ab 1828 Professor an der neuen Universität Helsingfors (Helsinki), um dort eine Sternwarte aufzubauen. Acht Jahre später durfte er am Rhein dasselbe tun: Die preußische Regierung berief Argelander 1836 zum Direktor der neu zu errichtenden Sternwarte der Universität Bonn. Schon damals hatte er einen exzellenten Namen als Wissenschaftler; bei der Berufung mag gleichwohl auch eine Rolle gespielt haben, dass Argelander mit dem preußischen Kronprinzen (dem späteren König Friedrich Wilhelm IV.) persönlich befreundet war – die beiden hatten sich in Memel kennengelernt, wohin sich die Königsfamilie nach den Niederlagen im Krieg gegen Napoleon zurückzog.
Erst 1845 war die neue Bonner Sternwarte fertiggestellt – auf freiem, sternguckerfreundlich nachtdunklem Feld neben der Poppelsdorfer Allee und entworfen unter Mitwirkung des legendären Architekten Karl Friedrich Schinkel. Bis dahin arbeitete Argelander in einem kleinen Haus neben dem „Alten Zoll“ am Rheinufer und bestimmte dort (zunächst mit nur einem einzigen Assistenten) von 1841 bis 1843 die Position von etwa 22.000 Sternen; 1849 bis 1852 folgten weitere 23.250 Beobachtungen an 17.000 Sternen. Direkt danach schritt Argelander zu seiner gewaltigsten Leistung: „einer vollständigen Bestimmung sämtlicher Sterne, die bei uns sichtbar sind, um sie immer wieder finden zu können“. Das bedeutete eine Katalogisierung von 324.198 Sternen am nördlichen Himmel (zum Vergleich: selbst für das schärfste Auge und fernab jeder Lichtverschmutzung sind dort für den Menschen nur rund 3000 Sterne sichtbar). Elf Jahre dauerte das Riesenvorhaben, mehr als eine Million Einzelbeobachtungen waren notwendig. Am Ende waren die Gestirne in 48 Karten verzeichnet, nach Helligkeit klassifiziert und mit dem Kürzel „BD“ versehen – es bedeutet „Bonner Durchmusterung“ und macht den Namen der Stadt am Rhein bis heute auch für Astronomen zum Qualitätszeichen. Einziges Werkzeug der Arbeit war ein Fernrohr mit 77 Millimetern Öffnung und 650 Millimetern Brennweite – Teleskope vergleichbarer Leistung und annehmbarer Qualität kann sich der Sternenfreund heute für rund 500 Euro kaufen.
Friedrich Wilhelm August Argelander war 1850/51 und nochmals 1864/65 Rektor der Universität Bonn und 1863 Mitbegründer der Deutschen Astronomischen Gesellschaft; 1864 bis 1871 leitete er sie. Er verstarb am 17. Februar 1875 an den Folgen einer Fiebererkrankung. Sein Grab liegt auf dem Alten Friedhof der Bundesstadt. 1973 zog das Uni-Institut für Astronomie aus der historischen Sternwarte in den Stadtteil Endenich um; es trägt heute Argelanders Namen. Nach ihm benannt sind seit 1935 auch ein Mondkrater (mehr als 30 Kilometer im Durchmesser und knapp drei Kilometer tief, befindet er sich auf der erdzugewandten Seite des Trabanten, ein wenig rechts des „Mare Nubium“) und seit 1938 ein Asteroid (offizielle Nummer: 1551). Drei passende Ehrungen für einen der bedeutendsten Weltraumbeobachter aller Zeiten.
(c) Friedrich Wilhelm August Argelander, Foto: Archiv/Universität Bonn