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Felix Hausdorff, Mathematiker

Ein Künstler der Zahlen und Worte

Mit gutem Grund gilt die Mathematik als eine Königin der Wissenschaften: Ihre abstrakten Begriffe, Größen und Formeln sind in der Lage, auch viele konkrete Bereiche der Welt zu erfassen und zu beschreiben. Das muss nicht heißen, dass jeder Mathematiker auch ein Generalist sein muss. Der Bonner Mathematiker Felix Hausdorff jedoch war ein solcher. Er reüssierte nicht nur als genialer Rechner, sondern auch als Musiker, Dichter und Philosoph.

Felix Hausdorff wurde 1868 in Breslau geboren; ab 1870 lebte die Familie in Leipzig. Der junge Felix studierte Mathematik und Astronomie; außerdem hörte er Vorlesungen in Physik, Chemie, Geographie, Philosophie, Sprach-, Literatur- und Sozialwissenschaften sowie Musikgeschichte. Er promovierte und habilitierte zunächst in Astronomie und arbeitete zwei Jahre lang an der Leipziger Sternwarte. Zudem war er ein begabter Pianist und wollte eine Zeitlang sogar selbst Komponist werden. Unter dem Pseudonym „Paul Mongré“ schrieb er Aphorismen, Gedichte und ein Drama. Endgültig zur Mathematik führte ihn sein philosophisches Interesse an den unendlichkeitstheoretischen Arbeiten des Mathematikers Georg Cantor. Dann wurde Hausdorff zum Pionier eines neuen Fachgebiets: Seine „Grundzüge der Mengenlehre“ (1914) gelten bis heute als sein bedeutendstes mathematisches Werk. Zahlreiche mathematische Phänomene und Methoden sind bis heute nach ihm benannt, auch gilt er als Mitbegründer der allgemeinen Topologie.

Mit der Habilitation 1895 wurde Hausdorff Privatdozent an der Universität Leipzig, 1901 folgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor. 1910 wurde er planmäßiger Extraordinarius in Bonn, wechselte 1913 nach Greifswald und kehrte 1921 als ordentlicher Professor an den Rhein zurück. Seine Vorlesungen galten als ästhetischer Genuss: „Er verband die unbedingte Klarheit mathematischer Denkweise mit künstlerischer Lebendigkeit, die immer wieder frappierte, wenn er die Lösung tiefgründiger mathematischer Probleme in vollendeter Meisterschaft vortrug", berichtete eine Schülerin.Sein Erfindungsreichtum habe „scheinbar Unentwirrbares durchleuchtet“, und „die Lösungen sind von solcher Einfachheit, daß sie stets das Siegel des Meisters tragen.“

Nach dem Sieg der Nazis musste er seine letzte Bonner Vorlesungsreihe am 20. November 1934 abbrechen und wurde zum 31. März 1935 emeritiert; die Bibliothek des Instituts durfte er nicht mehr betreten. Wie auch LINK Wilhelm Levison machte sich Hausdorff spätestens nach der „Reichspogromnacht“ keine Illusionen mehr über den mörderischen Charakter des Regimes. Sein Versuch, über ein Forschungsstipendium in die USA zu gelangen, schlug fehl. Mitte 1941 begannen die Nationalsozialisten, alle Bonner Juden im Kloster „Zur Ewigen Anbetung“ im Stadtteil Endenich zu internieren, und deportierten sie von dort aus schrittweise in die Vernichtungslager. Als auch Hausdorff den Befehl zum „Umzug“ erhalten hatte, wählte er mit seiner Frau und seiner Schwägerin am 26. Januar 1942 den Freitod. Sein Abschiedsbrief ist ein ergreifendes menschliches Dokument. Noch im Angesicht des Todes zeigt es Bescheidenheit, klugen Zweifel am damals verbreiteten Gedanken, nach der Zusammenpferchung im Kloster könne es „nicht mehr schlimmer werden“, ja sogar eine Art grimmigen Humor. „Wenn Sie diese Zeilen erhalten, haben wir Drei das Problem auf andere Weise gelöst […] Das Gefühl der Geborgenheit, das Sie uns vorausgesagt haben, wenn wir erst einmal die Schwierigkeiten des Umzugs überwunden hätten, will sich durchaus nicht einstellen, im Gegenteil: auch Endenich ist noch vielleicht das Ende nich! Was in den letzten Monaten gegen die Juden geschehen ist, erweckt begründete Angst, dass man uns einen für uns erträglichen Zustand nicht mehr erleben lassen wird. […] Verzeihen Sie uns auch unsere Desertion! Wir wünschen Ihnen und allen unseren Freunden, noch bessere Zeiten zu erleben.“

Felix Hausdorff ist auf dem Poppelsdorfer Friedhof begraben. Sein namentliches Andenken pflegen die „Hausdorffstraße“ in der Bonner Südstadt (wo er im Haus Nummer 61 lebte) und das 2006 eingerichtete „Hausdorff Center for Mathematics“, das Bonns internationalen Ruf als Standort mathematischer Spitzenforschung bekräftigt.

(c) Felix Hausdorff, Foto: Archiv/Universität Bonn

 

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