Berühmte Bonner Studenten im 19. Jahrhundert
Sie, an die sich das alles richtet
Gerade mal 47 Studenten hatte die Universität Bonn, als sie zum Wintersemester 1818/19 ihre Arbeit aufnahm. Schon im vierten Semester waren es mehr als 500, nach weniger als einem Jahrzehnt waren es 1000. Bald nach ihrer Gründung zog sie zahlreiche wissbegi
erige junge Leute (beziehungsweise damals ausschließlich: junge Männer) an. So manchen von ihnen kennt man noch heute.
Zu den Bonner Studenten der ersten Stunde zählte 1818 Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), der Dichter des Deutschlandliedes (und beliebter Kinderlieder wie „Morgen kommt der Weihnachtsmann“). Seine Fächer waren Germanistik und Philologie; als Schüler von Ernst Moritz Arndt entdeckte er in seiner Bonner Zeit die „Bonner Buchstücke“ des „Liber Evangeliorum“ des Otfrid von Weißenburg und ließ eine Gedichtsammlung „Lieder und Romanzen“ erscheinen. 1821 wechselte er von Bonn nach Berlin.
Nur ein Jahr später immatrikulierte sich Heinrich Heine (1797-1856) an der Hochschule: Bis heute ist er einer der berühmtesten Dichter deutscher (spitzer) Zunge. Zwei Semester lang war er in Bonn Student der Rechtswissenschaft und Kameralistik, hörte aber in Jura nur die Pflichtvorlesung. Stattdessen galt sein Interesse schon damals der Dichtung und der Literatur: Bei LINK August Wilhelm Schlegel besuchte er die Vorlesung „Zur Geschichte der deutschen Sprache und Poesie“. Nach dem Sommersemester 1820 wechselte Heine nach Göttingen – angeblich, weil ihn in Bonn „zu viele Annehmlichkeiten vom Lernen abhielten“. Überliefert ist dazu ein kurzer in Bonn entstandener Vierzeiler: „Hast du vertrauten Umgang mit Damen, / Schweig‘, Freundchen, still und nenne nie Namen: / Um ihretwillen, wenn sie fein sind, / Um deinetwillen, wenn sie gemein sind.“
Zur gleichen Zeit tat in Bonn der große Chemiker Justus (von) Liebig (1803-1873), Begründer der Mineraldüngung und Erfinder des Fleischextrakts, seine ersten Schritte in dieser Wissenschaft – ab 1819 als Schüler von Karl Wilhelm Gottlob Kastner, dem er allerdings schon 1821 an die Universität Erlangen folgte. Später sollte er dennoch bedeutenden Einfluss auf die Geschichte der Universität Bonn nehmen: Zu seinen Schülern an der Universität Gießen zählte LINK August von Kekulé.
Zu den berühmtesten Bonner Studenten zählt auch der Philosoph Karl Marx (1818-1883), einer der Väter des Kommunismus. 1835 nahm er in Bonn ein Studium der Rechtswissenschaften und der Kameralistik auf. Seine akademischen Lehrer bescheinigen ihm durchweg „vorzüglichen Fleiß und ständige Aufmerksamkeit“. Dennoch musste der junge Marx am 16./17. Juni 1836 einen Tag im hochschuleigenen Gefängnis verbringen, dem „Karzer“ – wegen „nächtlichen ruhestörenden Lärmens und Trunkenheit“. Es heißt, dass er sich „stille betrug“. Als er im gleichen Jahr dann nach Berlin weiterzog, bescheinigte ihm die Hochschule „in sittlicher und ökonomischer Hinsicht nichts Nachtheiliges“ – auch einer „Theilnahme an verbotenen Verbindungen“ sei „derselbe nicht verdächtig geworden“.
Viel mehr als Revolutionär betätigte sich später der Bonner Student Carl Schurz (1829-1906). Im Jahre 1847 schrieb er sich für Philologie und Geschichte ein. Geschichte machte er dann während der Revolution von 1848/49 selbst, indem er am fehlgeschlagenen Sturm auf das Siegburger Zeughaus teilnahm, in Baden gegen die preußischen Truppen kämpfte, aus dem belagerten Rastatt durch einen Abwasserkanal entkam und im November 1850 seinen inhaftierten Bonner Professor Gottfried Kinkel aus dem Gefängnis befreite. Schurz floh nach England und wanderte 1852 nach Amerika aus – Start einer beeindruckenden Karriere erst als Botschafter, dann als General im Bürgerkrieg, dann sogar als Innenminister der USA.
Ebenfalls zu nennen ist einer der berühmtesten Philosophen aller Zeiten, Friedrich Nietzsche (1844-1900). Er studierte 1864 und 65 in Bonn zunächst Theologie und Philologie, gab erstere jedoch schon nach einem Semester auf („Beides zu studieren ist etwas Halbes“). Seine Studien verliefen durchaus unsystematisch; später urteilte er: „Ich muß höhnisch auf meine vollendeten Arbeiten aus der Bonner Zeit sehen […] Ich schäme mich, wenn ich an dies Zeug denke. Jede meiner Pennalarbeiten war besser.“ Auch die Rituale der Studentenverbindungen missfielen ihm (wenngleich er sich freiwillig der Mensur unterzog und sich einen Schmiss am Nasenrücken einfing). Viel mehr beeindruckte ihn die Verbindung Bonns zur Musikgeschichte: Er mietete sich bewusst in der Nähe des Beethovenhauses ein, legte einen Kranz am Grabe Robert Schumanns nieder, sang in Chören, spielte Klavier und besuchte zahlreiche Konzerte und Theatervorstellungen.
Nicht nur aus den Natur- und Geisteswissenschaften, auch aus der Politik haben bedeutende Persönlichkeiten an der Universität Bonn studiert. Vielleicht der bekannteste von ihnen ist Konrad Adenauer (1876-1967), Oberbürgermeister von Köln zwischen 1917 und 1933 und später von 1949 bis 1963 erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Nach Aufenthalten an den Universitäten von Freiburg und München schrieb sich der „Alte“ 1895 als Student der Jura in Bonn ein und legte dort 1897 „mit gutem Erfolg“ das Referendarexamen ab.
Neben den noch heute berühmten Namen lohnt es sich auch, einen Blick auf frühere Bonner Studenten zu werfen, die dem 21. Jahrhundert zwar nicht mehr sofort geläufig sind, in ihrer eigenen Zeit dafür aber um so mehr Furore machten. Zum Beispiel Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (1848-1931), einer der wichtigsten Altphilologen seiner Zeit. Er begann in Bonn sein Studium der Klassischen Altertumswissenschaften zum Wintersemester 1867/68, befasste sich aber auch mit der Indischen Philologie und der Kunstgeschichte. Er verließ Bonn 1869 gen Berlin. Oder der große Schweizer Kulturwissenschaftler Jacob Burckhardt (1818-1897), durch den der Begriff der „Renaissance“ in die Umgangssprache einging: Als Student der Geschichte, Kunstgeschichte und Philologie weilte er 1841 für ein Semester am Rhein. Oder der Schriftsteller Emanuel Geibel (1815-1884), Dichter des Liedes „Der Mai ist gekommen“ und zu Kaisers Zeiten einer der beliebtesten Lyriker überhaupt: 1835 und 36 studierte er in Bonn Theologie, Philosophie und Klassische Philologie. Oder der italienische Autor Luigi Pirandello (1867-1936), Literaturnobelpreisträger des Jahres 1934. Aus Rom kommend, studierte er von 1889 bis 1892 in Bonn die Philologie der romanischen Sprachen, wirkte als Lektor und promovierte über den Dialekt von Agrigent auf Sizilien. Oder Heinrich Gotthardt von Treitschke (1834-1896), Historiker, Reichstagsabgeordneter und einer der bekanntesten politischen Publizisten des Kaiserreichs: Er studierte von 1851 bis 53 in Bonn Geschichte.
Heute sind es rund 38.000 junge Menschen, die an den sieben Fakultäten der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität die Grundsteine für ihre künftige Karriere zu legen suchen. Die Universität Bonn ist sich sicher: Auch unter ihnen sind die herausragenden Wissenschaftler, Künstler, Staatsfrauen und -männer von morgen.
(c) Das Trinkspiel zählt von Anfang an dazu. Bonner Studenten beim Trinkspiel, Bonn 1820. Lithographie von Joseph Neunzig als Stammbuchblatt. Seinerzeit schenkten sich Studenten gegenseitig postkartengroße Blätter mit Gedichten, Bildern oder Zeichnungen. Gesammelt wurden sie im Stammbuch, eine Art Poesiealbum. Gerne wurden fertige Blätter gekauft anstatt eigene herzustellen. Neunzig hatte auf der Kunstakademie in Düsseldorf gelernt und finanzierte mit dem Verkauf von Stammbuchblättern sein Studium in Bonn. Foto: Archiv / Universität Bonn