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August Wilhelm Schlegel von Gottleben (ab 1812: von Schlegel)

Der eitle Romantiker - Literaturwissenschaftler, Kritiker, Übersetzer, Altphilologe und Indologe

 „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage“: Wer als Deutscher den klassischen Satz aus William Shakespeares „Hamlet“ zitiert, kann das nur dank der Leistung des Bonner Philologen August Wilhelm Schlegel. Er war es, der für 17 Dramen des englischen Meisters die bis heute prägenden deutschen Übersetzungen schuf.

Der Sohn eines protestantischen Pastors wurde 1767 in Hannover geboren und studierte von 1786 bis 1791 erst Theologie, dann Philologie in Göttingen. Schon in dieser Zeit übersetzte er erste Teile von Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“ und Shakespares „Sommernachtstraum“. Nach einer Zwischenstation als Hauslehrer in Amsterdam wirkte er von 1795 bis 1801 zunächst in Jena, vor allem als Kritiker und Rezensent für Friedrich Schillers Literaturzeitschrift „Die Horen“, den „Musenalmanach“ und die „Jenaer Allgemeine Literatur-Zeitung“; zwischen 1798 und 1800 gab er mit seinem Bruder Friedrich Schlegel die Zeitschrift „Athenaeum“ heraus. Durch sie wurde August Wilhelm Schlegel zu einem maßgebenden Theoretiker der Frühromantik. Er vertrat die Ansicht, dass die großen Dichter des Mittelalters und der Frühen Neuzeit auch die großen Vorbilder der neuzeitlichen Dichtung zu sein hätten, lehrte von 1801 bis 1804 in Berlin über die Literatur dieser Epochen und übersetzte in dieser Zeit auch Werke von Francesco Petrarca, Giovanni Boccaccio, Torquato Tasso, Miguel de Cervantes, Pedro Calderón de la Barca und Luís de Camões – ein überaus intensives Programm, mit dem er seinem Lebensmotto folgte: „Tätigkeit ist der wahre Genuss des Lebens, ja das Leben selbst“. Auch eigene Dichtungen verfasste er; verglichen mit seinen Übersetzungen jedoch gelten sie heute als literarisch unbedeutend.

Die napoleonische Zeit überstand Schlegel auf Auslandsposten in Österreich, Russland und Schweden; von 1804 bis 1817 war er von der französischen Schriftstellerin Germaine de Staël als Reisebegleiter und Privaterzieher ihrer Kinder angestellt. An der Universität Bonn wirkte er ab 1818 als Inhaber des ersten deutschen Lehrstuhls für Indologie, weshalb man ihn heute als Gründervater dieser Disziplin in Deutschland bezeichnet; 1824 und 25 war er zudem Rektor der Hochschule. Als Herausgeber der „Indischen Bibliothek“ machte er die Sanskrit-Literatur von Bonn aus bekannt; dazu hatte er sich noch in Paris auf eigene Kosten Drucktypen der indischen Devanagari-Schrift herstellen lassen. 1823 veröffentlichte Schlegel seine Übersetzung des philosophischen Lehrgedichts „Bhagavadgita“, 1829 bis 1838 folgten das Epos „Ramayana“ und 1829/31 die Geschichtensammlung „Hitopadesha“.

Schlegel war ein schwieriger, eitler Charakter; so verdarb er es sich mit seinem Freund Friedrich Schiller, als er dessen „Lied von der Glocke“ wegen „sachlicher Fehler“ rügte. In Bonn trug er nach französischer Mode weiße Glacéhandschuhe, parfümierte sich, fuhr mit eigener vierspänniger Kutsche vor, hatte einen eigenen Diener und führte einen großen Haushalt. Bereits zu Lebzeiten ließ er sich ein antikisierendes Medaillon für sein Grabmal entwerfen. Der Spott ließ nicht auf sich warten. Bekannt geworden ist das Verdikt seines Bonner Kurzzeit-Studenten Heinrich Heine: „Hinlänglich begriffen hat Herr Schlegel den Geist der Vergangenheit […] Aber alles, was Gegenwart ist, begreift er nicht.“ Bei erneuten Aufenthalten in Berlin 1827/28 und 1841 konnte er an seine einstige Berühmtheit nicht mehr anknüpfen.

August Wilhelm Schlegel starb am 12. Mai 1845 in Bonn und ist auf dem Alten Friedhof begraben.

 

(c) August Wilhelm Schlegel, Foto/Collage: Volker Lannert

 

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